In der jüngeren Vergangenheit gab es in Großbritannien vermehrt scharfe Kritik an den Glücksspielunternehmen. Diese verzeichnen Jahr für Jahr enorme Gewinne, investieren laut vielen Politikern aber deutlich zu wenig in den Spielerschutz oder gemeinnützige Projekte. Diese Kritik scheinen sich zumindest einige der Branchenriesen zu Herzen genommen zu haben, denn auf freiwilliger Basis wurde jetzt eine Erhöhung der Sozialabgaben vorgeschlagen. Kritiker allerdings sehen hierin vor allem einen Schachzug, mit welchem sich die Branche künftig stärkere Kontrollen vom Leib halten möchte.
Big Player wollen Abgaben erhöhen
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Auf dem britischen Glücksspielmarkt ist in der strengen Regulierung ein eigentlich kluger Absatz verankert. Dieser sieht fest, dass die Glücksspielunternehmen rund 0,1 Prozent ihrer Umsätze für soziale Einrichtungen oder wohltätige Zwecke spenden müssen. In der Theorie ein sehr vernünftiger Gedanke, der in der Praxis von den Anbietern aber scheinbar oft umgangen wird. Obwohl die Branche Jahr für Jahr beeindruckende Zahlen vorweisen kann, liegt die Summe der freiwilligen Abgaben oftmals nur bei rund zehn Millionen Pfund – für die gesamte Branche. Aufgedeckt wurde dabei von der Organisation GambleAware, dass zahlreiche Anbieter offenbar nur gut zehn Pfund in dieses Spendensystem eingeführt haben. Der Kritik an der Branche ist dadurch wieder einmal neu entflammt – und zumindest Teile des Marktes wollen reagieren.
Gemeint sind die Glücksspielriesen der GVC Holdings, bet365, Sky Bet, Flutter Entertainment und William Hill. Die Unternehmen teilten der britischen Regierung offenbar ihre Bereitschaft dafür mit, die Höhe der Abgaben in den nächsten fünf Jahren auf ein Prozent des Jahresumsatzes zu erhöhen.
Politik fordert rund 100 Millionen Euro jährlich
Zumindest der Kulturminister Jeremy Wright zeigte sich angesichts des Vorschlags der Glücksspielriesen erfreut und erklärte: „Ich möchte, dass die Glücksspielindustrie mehr soziale Verantwortung wahrnimmt und ihre Spieler schützt, auch indem mehr finanzielle Mittel für die Erforschung, Bildung und Behandlung von problematischen Spielern bereitgestellt wird. Menschen und ihre Familien vor den Risiken eines glücksspielbedingten Schadens zu schützen, ist eine Priorität dieser Regierung und ich freue mich darüber, dass der Sektor jetzt erkannt hat, dass er mehr tun muss.“ Ganz überraschend kommt das Angebot der Branchengrößen für viele Experten zum aktuellen Zeitpunkt allerdings nicht. Erst vor wenigen Tagen forderte zum Beispiel Politiker Tom Watson, dass eine verpflichtende Sozialabgabe in Höhe von einem Prozent des Jahresumsatzes eingeführt wird. Also genau das, was die Unternehmen nun auch vorhaben. Kritiker vermuten dahinter einen Schachzug, mit dem sich die Branche vor einer möglichen Pflichtabgabe schützen möchte. Watson gilt ohnehin nicht als großer Freund des Marktes und forderte zum Beispiel jüngst erst, dass Anbieter mit einer Lizenz nach 2014 diese verlieren und sich neu für eine Lizenz bewerben sollten. Geht es nach Watson, soll die verpflichtende Abgabe jedes Jahr rund 100 Millionen Pfund für die Betreuung sozialer Projekte einbringen.
Sollten die fünf Branchenriesen ihre Schritte umsetzen, könnte allein auf diesem Wege schon eine Summe von rund 60 Millionen Pfund pro Jahr zusammenkommen. Allerdings noch immer auf freiwilliger Basis, eine Garantie gibt es demnach nicht. Gleichzeitig ist aktuell auch noch nicht bekannt, welche Einstellung die Konkurrenzunternehmen zu diesem Vorschlag haben.
Pflichtabgabe wird wohl ein heißes Thema bleiben
Dass die Diskussion rund um die Pflichtabgabe mit dieser freiwilligen Zahlung wohl nicht einfach vom Tisch gewischt werden kann, hat der Abgeordnete Ronnie Cowan von der Scottish National Party deutlich gemacht. Dieser erklärte in einem Interview: „Das ist ein Schmiergeld zur Besänftigung von Aktivisten und der britischen Regierung, um die Einführung einer verpflichtenden Abgabe für Bildung, Forschung, Behandlung und Unterstützung von Spielsucht zu vermeiden. Das Problem des glücksspielbedingten Schadens besteht hier und jetzt und wir brauchen eine kontinuierliche Versorgung. Personal, Budget und Behandlung müssen garantiert sein und das kann nur mit einer gesetzlichen Pflichtabgabe geschehen.“ Bereits vor einigen Monaten allerdings hat die Glücksspielbranche in dieser Hinsicht auch schon ihre Verhandlungsbereitschaft gezeigt.
So erklärte Mark Stebbings, der Geschäftsführer des britischen Unternehmens BetFred, dass man sich keinesfalls gegen die Einführung einer Pflichtabgabe weigere. Allerdings verlange man, dass diese dann auch für die gesamte Glücksspielbranche einberufen wird. Also auch die nationalen Lotterien und nicht nur die heimischen Casino-Anbieter. Ebenso erklärt Stebbings, dass der Betrag von 0,1 Prozent des Bruttojahresumsatzes angemessen ist. Immerhin habe die Branche zum Beispiel durch die neuen Einsatzbeschränkungen an den FOBTs schon mit starken finanziellen Einbußen zu kämpfen. Durchaus ein schlüssiges Argument des Casino-Chefs, auch wenn es die Branche aufgrund der laschen Zahlungen in den letzten Jahren verpasst hat, die eigenen Möglichkeiten hier zur Zufriedenheit der Behörden auszunutzen. Zumindest bei Politikern wie Cowan oder Watson scheint die Glücksspielbranche ihren Kredit offenbar bereits zu großen Teilen verspielt zu haben – und das wiederum schwächt die Argumentation der Branche derzeit enorm. Wie es in dieser Thematik weitergeht und ob eine gesetzliche Pflichtabgabe wirklich in der geplanten Höhe eingeführt wird, bleibt aber erst einmal abzuwarten.