Natürlich passen der Spitzensport und das Glücksspiel auf den ersten Blick nicht zusammen. Immer wieder haben in der Vergangenheit vor allem die Sportwelt Skandale erschüttert, weil aufgrund von Spieleinsätzen Wettbewerbe oder Spiele manipuliert wurden. Das ist die eine Seite. Aber wie sieht es mit den psychischen Belastungen aus? Genau das hinterfragt auch die britische Tageszeitung „The Independent“ in einer neuen Serie. Und laut Experten ist das Online Glücksspiel für Profisportler einer der größten potenziellen Brandherde für psychische Probleme.
Was tun mit der oftmals großzügigen Freizeit?
Inhaltsverzeichnis:
Unter dem Namen „The Sporting Mind“ beschäftigen sich für die britische Tageszeitung „The Independent“ derzeit verschiedene Autoren und Reporter damit, welche Auswirkungen das Glücksspiel auf die Sportler haben kann. Konkret geht es in der Serie nicht um die Auswirkungen des Glücksspiels, sondern um die alltäglichen Belastungen, denen die Spitzensportler abseits des Trainings- oder Sportplatzes gegenüber stehen. Hierbei handelt es sich laut Experten um keinesfalls zu unterschätzende Aspekte, viel mehr können diese Herausforderungen jeden Sportler offenbar an die Grenze seiner psychischen Belastbarkeit führen. Nicht alle Sportler können damit umgehen und so suchen sich viele Profis in ihrer Freizeit Möglichkeiten, diesem psychischen Druck zu entkommen. Das Problem: Abgesehen von einer ganzen Menge Freizeit ist in vielen Fällen natürlich auch ein großes Einkommen vorhanden.
Gerade junge Sportler seien so besonders gefährdet. Diese würden in jungen Jahren bereits horrende Geldsummen verdienen und könnten mit diesen oftmals noch nicht richtig umgehen. In der Vergangenheit gab es zum Beispiel in England immer wieder mal Berichte über Nachwuchskicker, welche die Zeit nach dem Training in einem Spielcasino verbrachten. Das sei keinesfalls unüblich, so die Experten. Die jungen Sportler seien oftmals nur bis mittags auf dem Trainingsplatz gefordert, würden sich danach oft schlafen legen und wüssten nach dem Aufwachen dann nicht, was sie mit ihrer restlichen Freizeit anstellen sollen.
Kein Gefühl für das Geld?
Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang in den Augen vieler Experten das Online Glücksspiel zu bewerten. Die jungen Sportler könnten auf dieses rund um die Uhr zugreifen und seien dank Tablets und Smartphones auch unterwegs nie ohne die Glücksspielangebote. Hinzu kommt, dass beim Online Glücksspiel offenbar vielfach das Gefühl für das Geld verloren geht. Gesehen wird dieses nur in Form von Zahlen auf einem Display, wirklich in der Hand halten die Spieler den Betrag nicht. Schon öfter erklärten Sportler demnach in der Vergangenheit, dass sie überhaupt nicht realisiert hätten, dass ihre Verluste ganz real waren. Hätte das Geld vor ihnen auf dem Tisch gelegen, wären sie in den Augen der Forscher mit großer Wahrscheinlichkeit überlegter und vorsichtiger damit umgegangen.
Agenten haben es gezielt auf junge Sportler abgesehen
Durch den jugendlichen Leichtsinn gepaart mit einem beeindruckenden Einkommen sind junge Profisportler oftmals das Ziel nicht ganz seriöser Machenschaften. Bereits mehrfach wurde in den britischen Medien zum Beispiel darüber berichtet, dass private Wettanbieter gezielt auf die Agenturen von Sportlern zugegangen sind und diesen stattliche Bonusangebote in Aussicht gestellt haben. So erklärt ein Agent einer Glücksspielfirma: „Ich erinnere mich daran, dass bei meiner alten Agentur einmal ein privater Wettanbieter auf mich zukam. Bei dem Guthaben, dass sie anboten, nur um diese Jungs zu sich zu locken, sprechen wir von mehreren Zehntausend Pfund. Die ersten Zehntausend waren geschenkt. Solche Sachen. Ich habe derartige Angebote nie weitergegeben, weil sie obszön sind. Toxisch und sehr unverantwortlich.“
Auf der anderen Seite hat speziell Großbritannien aber auch ein Problem damit, dass das Glücksspiel fest in der Gesellschaft verankert ist. Nicht nur im privaten Leben, sondern zum Beispiel auch in den Sportverbänden. Eine enorm beliebte Sportart in Großbritannien ist das Cricket. Der Verband Professional Cricketer’s Association (PCA) befragt vor wenigen Wochen insgesamt 384 Spieler und 32 Trainer landesweit zu ihren Empfindungen rund um das Glücksspiel. Hier wird deutlich, wie sehr das Spiel in der Gesellschaft und auch bei Sportlern verankert ist.
Cricket-Spieler fordern ihr Glück gerne heraus
So erklärten zum Beispiel 51 Prozent der befragten Spieler, dass sie der Meinung sind, dass das Glücksspiel zu ihrer Vereinskultur gehöre. Darüber hinaus gaben 15 Prozent der Befragten an, dass sie täglich spielen würden. 22 Prozent waren es bei der Frage nach mindestens einer Spielsitzung in der Woche, 42 Prozent bei der Frage nach mindestens einer Spielsitzung im Monat. Kurios auch: 76 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie Glücksspiele für ein Problem in ihrem Sport halten. Gleichzeitig erklärten sogar 78 Prozent der Befragten, dass sie entweder selbst mehr spielen als sie sollten oder jemanden kennen würden, bei dem dies so sei.
So offen wie die Cricket-Spieler gehen allerdings nicht alle Sportler mit der Thematik des Glücksspiels und auch nicht mit anderen Themen wie psychischen Belastungen um. Genau das macht die Arbeit in vielen Fällen so enorm schwer, denn das Eine hängt oftmals mit dem Anderen zusammen. Um also auf der einen Seite Probleme zu lindern und aktiv Hilfestellung leisten zu können, müssen auch die Probleme auf der anderen Seite angegangen werden.